Vermeiden. Erkennen. Beheben.

21.08.2017 yahe legacy security thoughts

Bereits seit einiger Zeit orientiere ich mich bei der Auswahl von Sicherheitsmaßnahmen an einer Einteilung, die ich bereits im Artikel über die aktive Verteidigung gegen Kryptotrojaner einmal verwendet hatte: Vermeiden. Erkennen. Beheben.

Bisher war ich davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein gängiges Modell handelt, schließlich wird es in vielen Bereichen eingesetzt, in denen es um Fehlervermeidung geht. Bezogen auf das Management der Informationssicherheit habe ich jedoch keine relevanten Quellen ausfindig machen können, die sich mit dieser Klassifizierung von Sicherheitsmaßnahmen beschäftigt. Aus diesem Grund habe ich mir überlegt, einfach einmal aufzuschreiben, was ich mit den drei Punkten meine und wie deren Anwendung einem helfen kann, die Absicherung der eigenen Informationssicherheit ganzheitlicher zu gestalten.

tl;dr

Anstatt sich im risikoorientierten Sicherheitsmanagement nur mit der Frage zu beschäftigen, wie man Schäden vermeidet, sollte man in seinen Prozessen auch die Frage berücksichtigen, wie man entstandene Schäden erkennt und wie man diese entstandenen Schäden behebt.

Grundsätzliches

Sicherheitsmanagement, wie es heutzutage praktiziert wird, ist primär risikoorientiert. Man baut sich einen Pool an potentiellen Bedrohungen auf; prüft, ob ein spezifisches Asset Schwachstellen hat, die durch eine Bedrohung zu tatsächlichen Gefährdungen werden; bewertet das daraus entstehende Risiko und überlegt sich, wie man mit diesem Risiko umgehen möchte. Möglichkeiten sind die Übernahme des Risikos, man lebt also damit, dass das Risiko existiert; man transferiert das Risiko auf jemand anderen, z.B. indem man eine Versicherung abschließt; man vermeidet das Risiko, z.B. indem man eine andere technische Lösung wählt; oder man reduziert das Risiko, indem man Maßnahmen ergreift, die dabei helfen, die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Auswirkung zu verringern.

Wie man erkennt, beschränkt sich diese Form der Betrachtungsweise primär auf die Vermeidung von Schäden. Was fehlt, ist die Betrachtung von Maßnahmen, die dabei helfen, eingetretene Schäden zu erkennen und diese zu beheben. Meiner Erfahrung nach führt diese einseitige Herangehensweise dazu, dass sich Unternehmen darauf versteifen, Gefahren abzuwehren und sich zu wenig damit auseinander setzen, was passiert, wenn ein Schaden trotzdem eintreten sollte. Erst in jüngerer Zeit scheint es hier ein Umdenken zu geben. Nachdem sogar Sicherheitsunternehmen wie z.B. Antivirenhersteller und Sicherheitsbehörden gehackt werden, entsteht langsam das Mantra "es stellt sich nicht die Frage, ob man gehackt wird, sondern wann".

Die Klassifizierung von Sicherheitsmaßnahmen in die Kategorien Vermeidung, Erkennung und Behebung, wobei Mehrfachklassifizierungen je nach Nutzungsart durchaus möglich sind, kann dabei helfen, einen ganzheitlichen Ansatz des Sicherheitsmanagements zu etablieren.

Vermeiden

Meiner Erfahrung nach handelt es sich bei der Vermeidung von Schäden um den Maßnahmenkomplex, den Unternehmen als erstes betrachten, wenn sie sich mit dem Thema Sicherheits- oder Risikomanagement beschäftigen. Als ich begonnen habe, mich mit der IT-Security zu beschäftigen, ist man häufig noch davon ausgegangen, dass es ausreichend ist, genügend technische Maßnahmen zu ergreifen, um sich vollständig abzusichern. Das Nutzen von Verschlüsselung, der Einsatz von Antivirenscannern und Firewalls, das Nutzen von RAIDs, das Erstellen von Backups, sowie das regelmäßige Patchen von Anwendungen waren die klassischen zu ergreifenden Maßnahmen. Wie bereits weiter oben beschrieben, führen auch die klassischen Risikomanagementmethoden dazu, sich primär mit Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden zu beschäftigen.

Erkennen

Die Erkennung von Schäden ist, so zumindest meine Erfahrung, selten vom Gedanken des Risikomanagements getrieben, dafür aber umso häufiger vom Gedanken der operativen Funktionstüchtigkeit. Die klassische Erkennungsmethode ist der Einsatz einer Monitoringlösung im IT-Umfeld. Diese beschränkt sich jedoch sehr häufig auf Themen wie die Verfügbarkeit von Services und der Ressourcenauslastung von Hardware.

Nur selten wird sie genutzt, um regelmäßig nach veränderten Dateien, unzulässigen Netzwerkverbindungen, unbekannten Prozessen oder bekannten Prozessen mit unbekannten Parameterlisten zu scannen. Hintergrund dürfte auch sein, dass sich das Erkennen von Verfügbarkeitsproblemen recht einfach standardisieren lässt, während Verhaltensmuster von Systemen und Anwendungen sehr unterschiedlich sein können und eines individuelles Profiling bedürfen. Das führt dazu, dass solche komplexeren Erkennungen in Form von IDS- und IPS-Lösungen erst dann zum Einsatz kommen, wenn das gesamte Sicherheitsmanagement des Unternehmens einen gewissen Reifegrad erreicht hat.

Eine andere klassische Maßnahme ist die Einführung einer zentralen Logging-Infrastruktur, die es prinzipiell ermöglicht, durch das Analysieren einer Vielzahl von Systemevents einen möglichen Schaden zu erkennen. Aber auch hier müssen erst im Zuge einer SIEM-Lösung entsprechende Trigger definiert werden, bevor ein tatsächlicher Nutzen aus der Maßnahme gezogen werden kann.

Doch auch abseits der Technik sollte man sich im Zuge seines Risikomanagements immer die Frage stellen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um das Eintreten eines Schadens überhaupt erkennen zu können.

Beheben

Nachdem man sich Gedanken gemacht hat, wie man eingetretene Schäden erkennt, besteht die schlussendliche Arbeit darin, sich zu überlegen, wie man den Schaden wieder beheben kann. Eine klassische Maßnahme zur Behebung von Schäden ist das Wiedereinspielen von Backups oder das Neuaufsetzen von kompromittierten Systemen. Doch evtl. muss je nach Anwendung granularer vorgegangen werden oder es ergibt sich die Möglichkeit, die Behebung einzelner Schäden automatisiert durchzuführen.

Meiner Erfahrung nach bestehen viele Maßnahmen zur Behebung von Schäden im ersten Schritt aus spontanen Ideen, die im tatsächlichen Ernstfall umgesetzt werden. Diese verfestigen sich anschließend durch die Formulierung von Wiederherstellungsplänen oder, gröber gefasst, durch Notfallpläne im Zuge der Etablierung eines Notfallmanagements. Die erstellten Pläne stützen sich anfangs oft vor allem auf händische Prozesse. Erst bei zunehmender Reife werden manuelle Arbeiten durch automatisierte Tasks abgelöst. Denn auch hier müssen viele individuelle Aspekte berücksichtigt werden.

Auch abseits der Technik sollte man sich Gedanken über die Behebung von Schäden machen. Wie reagiert man als Unternehmen, wenn essentielle Ressourcen nicht zur Verfügung stehen oder wie würde man beim Abhandenkommen sensibler Daten vorgehen?

Praxisbeispiel

Um diese Dreiteilung an Maßnahmen einmal im Zusammenspiel zu zeigen, möchte ich einmal Antivirensoftware als plakatives Beispiel wählen, unabhängig von der Diskussion über deren tatsächlichen Nutzen.

Wir beginnen mit der Hauptaufgabe von Antivirensoftware, dem Erkennen von Viren. Im ersten Schritt wird man nur einzelne Dateien geprüft haben und diese Maßnahme Stück für Stück erweitert haben; um das Scannen ganzer Ordner, um das Scannen des ganzen Systems und schlussendlich auch um das Scannen des Bootsektors. Die Erkennung erfolgte früher allein auf Basis einer Virensignatur, sprich, der Information darüber, wie der kompilierte Quelltext des Virus aussieht.

Als man Viren erkennen konnte, stellte sich die Frage, wie man mit ihnen umgeht, sprich, wie das Beheben eines Virenbefalls aussehen könnte. Man könnte sie z.B. in Quarantäne schieben, sie direkt löschen oder, mit entsprechend viel Wissen über den Virus, diesen evtl. sogar aus einer infizierten Datei entfernen.

Als man nun weiter fortschritt, Festplatten größer und die Scans damit zeitaufwändiger wurden, kam man evtl. nicht mehr dazu, regelmäßig alle Dateien händisch zu prüfen. Trotzdem war es wichtig, zu verhindern, dass eine virenverseuchte Datei geöffnet oder verteilt wird. Also begann man damit, Dateien noch vor einem tatsächlichen Zugriff zu prüfen. Das Live-Scannen von Dateien half, das Ausführen von Viren zu vermeiden, optimierte gleichzeitig aber auch das Erkennen von Viren.

Viren wurde intelligenter und polymorph, ihr Quelltext änderte sich regelmäßig, sodass einfache Virensignaturen nicht mehr in der Lage waren, diese zu erkennen. Erst durch die Einführung von Heuristiken kam Antivirensoftware dazu, auch diese neuen, komplexeren Viren überhaupt erkennen zu können.

Das Internet hielt Einzug und verdrängte Wechseldatenträger als primäres Einfallstor für Viren. Die Hersteller von Antivirensoftware gingen mit und begannen, sich in den Datenkanal einzuklinken. Man wollte Viren bereits erkennen können, noch bevor sie auf der Festplatte des Nutzers gespeichert werden. Das sollte auch vermeiden, dass Nutzer überhaupt die Möglichkeit haben, irgendetwas mit der virenverseuchten Datei anstellen zu können.

Im Businessumfeld sind die Risiken, die von einem Virenbefall ausgehen, sogar noch größer, als in anderen Bereichen. Virenschreiber haben es vor allem auch auf diesen Bereich abgesehen, mitunter sogar mit speziell entwickelten Viren. Aber auch Antivirenhersteller haben dies erkannt und bieten spezifische Lösungen für solche Unternehmen an. Eine Lösung ist, Anwendungen vor ihrem Download auf einen Nutzerrechner in einer VM einer Scanning-Appliance gezielt zur Ausführung zu bringen, um ein verdächtiges Verhalten dieser Anwendung bereits im Vorfeld erkennen zu können. Hiermit will man die Ausführung eines Virus auf einem Nutzerrechner vermeiden.

Fazit

Wie man am Beispiel der Antivirensoftware gut erkennen kann, kann die Klassifizierung von Maßnahmen in die Themenfelder Vermeidung, Erkennung und Behebung dabei helfen, diese besser in einem gesamtheitlichen Sicherheitsansatz zu begreifen. Je nach Reifegrad des Sicherheitsmanagements im eigenen Unternehmen sollte man sich einmal ansehen, in welchem der drei Themenkomplexe noch Nachholbedarf bzgl. der geplanten und umgesetzten Maßnahmen besteht.


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